EU Weinmarktreform, Teil 1

 CHAPTAL UND DER ZUCKER

Viernheim, 5.7.07 - EU-Weinmarktreform hat etwas gegen Zucker bei der Weinherstellung.

Ein Aufschrei geht durch die deutschen Medien: Die EU will den Winzern den Zucker verbieten! Doch ist für den normalen Verbraucher gar nicht so einfach nachvollziehbar, wieso dieses Ziel der EU nicht in Ordnung sein soll.

Trauben erzeugen Zucker. Dieser wird bei der Gärung von Hefen in Alkohol und Kohlendioxid verwandelt. Enthielten früher die Trauben in schlechteren Jahren also mal weniger Zucker, dann hatten die Weine eben weniger Alkohol, waren also leichter. Das galt bis in die Zeit Jean-Antoine Chaptals (1756-1832), der auf die geniale Idee kam, mit einer kleinen Zuckerzugabe das eventuell vorhandene Manko auszugleichen. Was auch gut funktionierte. Nur kann von einem ebenso hergestellten Wein nicht behauptet werden, er sei zu 100% ein Produkt der Weinrebe. Ein paar Prozent stammen dann eben vom Rübenacker oder (seltener) von der Zuckerrohrplantage. Von 3,5% ist weithin zu lesen, was aber ein Missverständnis ist.

Die 3,5% sind tatsächlich die Obergrenze für die so genannte Anreicherung (französisch: Chaptalisierung) des Weins. Gemeint ist aber nicht etwa der prozentuale Anteil des Zuckers, der dem frisch gepressten Traubenmost zugegeben wird. Sondern die Erhöhung der Alkoholgradation, die hierdurch geschieht. Ein Beispiel: Wir ernten Trauben mit einem Zuckergehalt von 72° Oechsle (das ist ein deutsches Maß, jedes Land hat eine andere Methode). Das ergibt nach der Gärung etwa 9,5° Alkohol. Statt ° kann man auch Volumen % sagen, das läuft auf das gleiche hinaus. Das Gesetz erlaubt es uns nun, dem Most so viel Zucker zuzugeben, dass der Alkoholgehalt des Weins um 3,5° angehoben wird, in unserem Fall also auf 13°. Sind wir in Baden zu Hause, dann gelten statt der 3,5° nur 2,5° als Obergrenze. Denn Baden gehört zur EU-Weinbauzone B, ebenso wie die nordfranzösischen Gebiete Elsass, Burgund und Loire. Alle anderen deutschen Weinbaugebiete gehören dagegen zur EU-Weinbauzone A.

Wie bemessen wir jetzt unsere Zuckermenge? Eine einfache Faustregel sagt, dass 2 Gramm Zucker benötigt werden, um einen Liter Most um 1° Oechsle anzuheben. Wir wollen also nun 3,5° Alkohol hinzugewinnen. Das entspricht 28° Oechsle (8° Oechsle ergeben 1° Alkohol). Wir brauchen also 28x2=56 Gramm Zucker pro Liter Most. Die Anreicherung hat somit zwei Effekte: Wir haben unsere Menge um 5-6% erhöht und wir haben nun einen Most, der zu gut 5% aus Rübenzucker besteht. Geschmacklich verhält sich der zugesetzte Zucker vollkommen neutral, denn er bildet den gleichen Alkohol wie der Traubenzucker. Natürlich sprechen wir hier von einem Extremfall. In der Regel wird eher um 1-2° angereichert, nicht um 3,5°. Es geht letztlich darum, dem Wein den Alkoholgehalt zu geben, der für den Geschmack optimal ist. Alkohol ist nun mal ein Geschmacksträger. Am häufigsten wird beim Dornfelder die Anreicherung bis an die Grenze des Erlaubten ausgeschöpft. Denn hier werden oft hohe Erträge relativ zuckerarmer Trauben eingefahren. Für einen vollmundigen Rotwein werden dann aber ordentliche Alkoholgrade benötigt. Also kommt Monsieur Chaptal zu höheren Ehren. Im besonders warmen Jahr 2003 waren die Trauben in Deutschland so süß, dass die Anreicherung weniger als sonst nötig war. Überhaupt führt die Klimaerwärmung zu immer höheren Alkoholgehalten im Wein. Es wäre sehr sicher sinnvoll, endlich mal über die Reduzierung des Zuckereinsatzes nachzudenken.

In den warmen Ländern ist die Anreicherung mit Zucker ausdrücklich verboten, etwa in Südfrankreich. In einigen Überseeländern sind die Trauben sogar so extrem süß, dass dem Most Wasser zugegeben werden darf, damit die Weine nicht zu alkoholisch werden. In Italien gibt es einen Zuckertransfer der besonderen Art. Im heißen Süden stehen große Rebflächen, aus deren Trauben ein geschmacksneutraler Sirup erzeugt wird. Dieser wird im kühleren Norden zum Anreichern der Moste verwendet. Da die Produktionskosten für diesen Sirup aber höher sind als die für Rübenzucker, muss die Differenz durch Subventionen ausgeglichen werden. Dieses Modell will die EU nun für alle einführen: Zucker raus, Sirup rein. RTK heißt dieser übrigens, was für „Rektifiziertes Traubenmostkonzentrat" steht.

Die Deutschen gehören zu den größten Kritikern dieses Modells. Sie sehen nicht ein, dass sie den Italienern per Sirupimport beim Abbau ihrer Überschüsse helfen sollen. Außerdem würde das den deutschen Wein verteuern. Es gibt in der EU generell große Weinüberschüsse, die zum Beispiel durch Destillation zu Industriealkohol vernichtet werden müssen. Und das geht wieder nur mit kräftiger Subvention. Deshalb will die EU die Rebflächen in der Gemeinschaft um insgesamt 200.000 Hektar reduzieren. Was auch wieder nur mit Subventionen, diesmal für das Ausreißen von Reben funktioniert. Die Deutschen verkaufen ihre Weine relativ gut und stellen sich deshalb auf den Standpunkt, dass nicht Subventionen sondern der Markt regeln soll, welche Reben bleiben und welche ausgerissen werden sollen. Vor allem wollen Sie aber durch PR und Marketing den weltweiten Verkauf europäischer Weine stärken, um so an die Überseeländer verlorene Marktanteile zurück zu erobern. Die Sache ist also komplex. Und das politische Tauziehen ist im Gang...